Kuba kämpft für das Leben auf der Welt; Sie kämpfen für den Tod

Aufruf eines Opponenten an die US-Regierung.

Fidel Castro, 14. Mai 2004

Mister George W. Bush, die Million Kubaner, die wir heute zusammenkommen, um vor Ihrer Interessenvertretung zu demonstrieren, ist nur ein kleiner Teil eines mutigen und heldenhaften Volkes, das in seiner Gesamtheit hier bei uns sein möchte, wenn dies möglich wäre.




Die Zusammenkunft ist keine feindselige Geste gegen das US-amerikanische Volk, dessen ethische Wurzeln aus der Zeit, da die ersten Einwanderer auf dieser Erdhälfte eintrafen, uns gut bekannt sind. Auch ist es nicht unsere Absicht, die Funktionäre, die Angestellten und das Wachpersonal dieser Einrichtung zu stören, denen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alle Sicherheit und Garantien eines gebildeten und zivilisierten Volkes zuteil werden, wie sie unser Volk bieten kann. Es ist dieser ein Akt empörten Protestes und des Anprangerns der brutalen, erbarmungslosen und grausamen Maßnahmen, die ihre Regierung neuerdings gegen unser Land getroffen hat.

Im voraus wissen wir, was Sie über jene glauben zu machen beabsichtigen, die heute hier demonstrieren. Ihnen zufolge handelt es sich hierbei um unterdrückte und nach Freiheit strebende Volksmassen, die von der Regierung Kubas auf die Straße geschickt wurden. Sie verkennen vollkommen, dass dieses würdige und stolze Volk, das 45 Jahre der Anfeindung, Blockade und Aggressionen der stärksten Macht der Erde getrotzt hat, sich von keiner Macht der Welt wie eine Herde — jeder einzelne mit einem Strick um den Hals — ziehen ließe.

Ein Staatsmann oder jemand, der es zu sein beabsichtigt, sollte wissen, dass die gerechten und echt menschlichen Ideen im Verlaufe der Geschichte bewiesen haben, viel machtvoller als die Gewalt zu sein, die nur verstaubte und schmähliche Ruinen übrig lässt; die Ideen hinterlassen leuchtende nicht auszulöschende Züge. Jede Zeit hat ihre Ideen, sowohl gute als auch schlechte, hervorgebracht, und gemeinsam sind sie angewachsen. Doch unserer Zeit, in der wir leben in einer barbarischen, unzivilisierten und globalisierten Welt entsprechen die schlimmsten, düstersten und zweifelhaftesten Ideen.

Die Welt, wie Sie sie heute aufzwingen wollen, entbehrt jeglicher Ethik, Glaubwürdigkeit, Normen von Gerechtigkeit, humanitärer Gefühle sowie der elementarsten Grundsätze von Solidarität und Edelmut.

Alles, was in Ihrer und der Welt Ihrer Verbündeten, die sich in die Ausplünderung unseres Planeten teilen, über Menschenrechte geschrieben wird, ist eine kolossale Lüge. Milliarden Menschen leiden Hunger; es fehlt ihnen an ausreichend Nahrungsmitteln, Medikamenten, Kleidung, Schuhen, Wohnung. Sie leben in unmenschlichen Verhältnissen, besitzen nicht die mindesten Kenntnisse noch genügend Information, um ihre und die Tragödie der Welt, in der sie leben, zu begreifen.

Sicher hat Sie noch niemand über die Anzahl — sie reicht in siebenstellige Höhen — der Kinder, Heranwachsenden, Jugendlichen, Mütter, Personen mittleren Alters und Senioren informiert, die gerettet werden könnten und doch Jahr für Jahr zugrunde gehen in diesem "idyllischen Garten Eden der Träume", der unsere Erde ist; ebenso nicht über das Tempo, mit dem die natürlichen Lebensbedingungen zerstört und in anderthalb Jahrhundert die Kohlenwasserstoffe verschwendet werden, für deren Existenz unser Planet 300 Millionen Jahre gebraucht hat.

Ihren Assistenten brauchten Sie lediglich präzise Angaben abzufordern über die in Ihren Arsenalen befindlichen Zehntausenden von Kernwaffen, von chemischen und biologischen Waffen, Bombenflugzeugen, Langstrecken- und Präzisionsraketen, Panzerkreuzern, Flugzeugträgern, konventionellen und nicht konventionellen Waffen, die ausreichend sind, um alles Leben auf unserem Planeten zu vernichten.

Weder Sie noch sonst jemand würde jemals Schlaf finden können; auch Ihre Verbündeten nicht, die hinsichtlich der Entwicklung ihrer Arsenale zu wetteifern trachten. Betrachtet man den niedrigen Grad an Verantwortlichkeit, das politische Talent, das Ungleichgewicht zwischen den jeweiligen Staaten und den äußerst geringen Willen zu prüfenden Betrachtungen in Protokollen, bei Treffen und bei Beratern, so können jene, in deren Händen das Schicksal der Menschheit liegt, nur geringe Hoffnungen hegen, wenn sie, ratlos und gleichgültig, auf dieses wahre Irrenhaus blicken, zu dem die Weltpolitik geworden ist.

Anliegen dieser Zeilen ist es nicht, Sie zu beleidigen; doch da Sie sich vorgenommen haben, dieses Land einzuschüchtern, zu erschrecken und schließlich sein sozioökonomisches System und seine Unabhängigkeit sowie, falls erforderlich, das Land als solches zu vernichten, betrachte ich es als meine elementare Pflicht, Ihnen einige Wahrheiten vor Augen zu führen.

Weder moralisch noch von Rechts wegen steht es Ihnen zu, von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten zu reden, denn Sie verfügen über genügend Macht, die Menschheit zu vernichten. Mit dieser Macht trachten Sie nach dem Aufzwingen einer weltweiten Tyrannei bei Ignorieren und Zerstören der Organisation der Vereinten Nationen und Verletzen der Rechte der Länder, Führen von Eroberungskriegen zur Aneignung von Märkten und Ressourcen der Welt, Aufzwingen dekadenter und anachronischer politischer und sozialer Systeme, die die Gattung Mensch in den Abgrund führen.

Andere sind die Gründe, weshalb Sie das Wort Demokratie nicht in den Mund nehmen dürfen: Dazu gehört Ihr Antritt im Amt des Staatspräsidenten; alle Welt weiß, dass er betrügerisch erfolgte. Von Freiheit dürfen Sie nicht sprechen, denn für Sie gibt es keine andere Welt als die, die vom Terrorimperium der todbringenden Waffen beherrscht wird, die Ihre unerfahrene Hand auf die Menschheit loslassen kann.

Von Umwelt dürfen Sie nicht reden, denn Ihnen entgeht vollkommen, dass die Gattung Mensch Gefahr läuft zu verschwinden.

Der Tyrannei beschuldigen Sie das Wirtschafts- und politische System, das das Volk Kubas auf die höchste Stufe der Alphabetisierung, des Wissens und der Kultur geführt hat im Vergleich zu den am weitesten entwickelten Ländern der Welt; das die Säuglingssterblichkeit auf eine Kennziffer reduziert hat, die unter der der Vereinigten Staaten liegt und wo der Bevölkerung sämtliche Leistungen des Gesundheitswesens, des Bildungswesens und anderer gesellschaftlich und menschlich äußerst bedeutender Bereiche kostenfrei zuteil werden.

Hohl und lächerlich hören sich Ihre äußerungen über Menschenrechte in Kuba an. Dieses, Herr Bush, ist eines der wenigen Länder dieser Erdhälfte, wo es in 45 Jahren niemals auch nur eine einzige Folter, eine einzige Todesschwadron, eine einzige außergerichtliche Exekution, einen einzigen Regierenden gegeben hat, der in Ausübung der Macht zum Millionär geworden wäre.

Um über Kuba zu sprechen, fehlt es Ihnen an moralischer Autorität; ein Land, das durchgehalten hat in 45 Jahren brutaler Blockade, Wirtschaftskrieg und terroristischer Überfälle, die Tausende Menschenleben gefordert und Milliarden Dollar an wirtschaftlichem Schaden gekostet haben.

Sie nehmen Kuba gegenüber eine feindselige Haltung ein, und das aus schäbigen politischen Gründen, Unterstützung für Ihre Wahl bei einer abnehmenden Gruppe Abtrünniger und Söldner suchend, die jeglicher Ethik und Prinzipien entbehren. Es fehlt Ihnen an Moral, um von Terrorismus zu sprechen, denn umgeben sind Sie von einer Gruppe Mörder, die mit Handlungen dieser Art das Leben Tausender Kubaner auf dem Gewissen haben.

Aus Ihrer Verachtung von Menschenleben machen Sie keinen Hehl, denn Sie haben nicht gezögert, den außergerichtlichen Tod von einer unbekannten und geheimen Anzahl Personen in der Welt zu befehlen.

Ihnen steht keinerlei Recht zu, wenn nicht das der brutalen Gewalt, sich in die Angelegenheiten Kubas einzumischen und nach Ihrem Gutdünken den Übergang von einem System in ein anderes zu proklamieren sowie Maßnahmen zu seiner Umsetzung zu treffen.

Dieses Volk kann ausgerottet werden — Sie sollen dies ruhig wissen — es kann vom Erdboden gefegt werden, doch es kann nicht unterjocht und erneut dem demütigenden Status einer Neokolonie der Vereinigten Staaten unterworfen werden.

Kuba kämpft für das Leben auf der Welt; Sie kämpfen für den Tod.

Während Sie mit Ihren Präventiv- und Überraschungsangriffen unzählige Menschen töten, rettet Kuba Hunderttausende Leben von Kindern, Müttern, Kranken und alten Menschen auf der Welt.

Das einzige, was Sie über Kuba wissen, sind die Lügen von den gefräßigen Zungen der korrupten und unersättlichen Mafia ehemaliger Batistaanhänger und deren Nachkommen, Experten im Wahlbetrug und in der Lage, jemanden zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zu wählen, dessen erzielte Stimmen für einen Wahlsieg nicht ausreichten.

Ein System der Ungleichheit wie das, das Sie repräsentieren, bringt den Menschen keine Freiheit, sie können nicht wissen, was Freiheit ist. In den Vereinigten Staaten sind die Menschen bei ihrer Geburt einander nicht gleich., In den Ghettos der Menschen afrikanischer und lateinamerikanischer Abstammung und in den Reservaten der Indios, die jenes Land bevölkerten und ausgerottet wurden, gibt es keine andere Gleichheit als die, arm und ausgegrenzt zu sein.

Unser Volk, erzogen im Geiste der Solidarität und des Internationalismus, empfindet dem US-amerikanischen Volk gegenüber keinen Hass und möchte die jungen Soldaten seines Landes nicht sterben sehen. Es sind Weiße, Neger, Indios, Mestizen, Lateinamerikaner, häufig durch Arbeitslosigkeit dazu gebracht, sich in Militäreinheiten verwickelt zu sehen und in verräterischen und Präventivschlägen oder in Eroberungskriegen irgendwohin auf der Welt geschickt zu werden.

Die unglaublichen Folterungen an Gefangenen in Irak haben die Welt aufs äußerste entsetzt.

Meine Absicht ist es nicht, Sie mit diesen Zeilen zu beleidigen, ich sagte es bereits. Mein Bestreben ist es lediglich, dass irgendeiner Ihrer Assistenten, wenn Sie einmal einen Augenblick Zeit haben, Ihnen diese Wahrheiten unterbreitet, auch wenn Sie Ihnen in der Tat absolut nicht genehm sind.


Da Sie nun entschieden haben, unsere Würfel seien gefallen, möchte ich mich von Ihnen verabschieden mit den Worten der römischen Gladiatoren, die zum Kampf die Arena betraten: Heil dir, Cäsar; die Todgeweihten grüßen dich.

Ich bedauere nur, dass ich dabei nicht einmal Ihr Gesicht sehen kann, denn in diesem Falle werden Sie Tausende Kilometer entfernt sein, und ich werde an vorderster Front stehen, um bei der Verteidigung meiner Heimat kämpfend zu fallen.

Im Namen des kubanischen Volkes

Fidel Castro Ruz
14. Mai 2004, Havanna

Foto: Siempre con Cuba
Quellen: Soldado de las Ideas